geboren am 8. Oktober 1886 in Wien,
Deutsch-Österreicher jüdischer Herkunft,
Papierfabrikant, Antiquitätenhändler, Techniker,
seit 1909 bis 1938 beim FC Bayern,
Spieler, Mitglied, Mitglied der Skiabteilung,
1934 berufen in den Ältestenrat,
1938 Emigration nach Paris, Frankreich,
nach seiner Rückkehr im Januar 1951
erneut Mitglied beim FC Bayern,
gestorben am 22. Dezember 1951.
Leopold Schacherl wird am 8. Oktobr 1886 in Wien als jüngster von neun Geschwistern geboren. Seine Eltern sind der gebürtige Pressburger Simon Schacherl (gestorben 1894) und Johanna, geborene Kohn. Einer seiner Brüder ist Dr. Michael Schacherl (1869 – 1939), seines Zeichens Mediziner und langjähriges sozialdemokratisches Mitglied der österreichischen Nationalversammlung sowie über viele Jahre Chefredakteur der in Graz erscheinenden Zeitung „Arbeitswille“. Leopolds Neffen sind Franz Schacherl (1895 – 1943), renommierter Architekt für Siedlungsbau, und Richard Sharell (1893 – 1986), der sich nach seiner Flucht aus Österrreich einen Namen als etablierter neuseeländischer Fotograf der Pflanzen- und Tierwelt machen wird.
In der Zeit nach 1896, dem Tod von Vater Simon, ziehen Mutter Johanna, Bruder Hermann und Leopold von Wien nach München. Leopold wohnt mit seiner Mutter vor dem Ersten Weltkrieg in der Dachauer Straße 38 unweit des Stiglmaierplatzes. Beruflich betreibt er damals gemeinsam mit einem Teilhaber eine Galvanoplastische Kunstanstalt. In den 1920er Jahren arbeitet er dann auch vorübergehend im Atellier für Kunst- und Innendekoration seines Bruders Hermann in der Goethestraße 14.
Bereits 1909 tritt Leopold Schacherl 23-jährig der Fußball-Abteilung Bayern sowie der Leichtathletik-Abteilung des Münchner Sport-Club bei. Aktiv war er zuvor bereits beim MTV München, wo er sich schon als einer der besten Sprinter und Fußballer Münchens hervor getan hat. In der Spielzeit 1910/11 festigt er sich einen Stammplatz als Linksaußen in der Ersten Mannschaft der Bayern. Am Ende der Saison zählt er zu den verdientesten Spielern des Teams, die erstmals in der Vereinsgeschichte die sogenannte Ostkreis-Meisterschaft gewinnen. Dieser Titelgewinn steht damals gleichzeitig für die Bayerische Meisterschaft. Durchgehend gehört er bis zur Saison 1915/16 dem Kader der Ersten Mannschaft an, bevor er in der Saison 1921/22 im Alter von 35 Jahren nochmals ein Comeback für sieben Spielen in der Liga-Elf als linker Außenstürmer gibt. Folgend wird er noch viele Jahre im Sturm der Alte-Herren-Mannschaft des FC Bayern unterwegs sein.
Ab 1933 ziehen dunkle Zeiten, sowohl für Leopold als auch für seine weiterhin in Österreich lebenden Verwandten, ins Land. Mit der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland ist auch Leopolds Kunstanstalt von den Boykottaufrufen jüdischer Geschäfte betroffen. Die Umsätze gehen zurück. Zusätzlich betreibt er folgend noch eine Papiermachéfabrik in der Arnulfstraße 26. Sein Bruder, Dr. Michael Schacherl, sieht sich in Österreich ab 1933 mit dem Beginn des sogennten Austrofaschismus als Sozialdemokrat der Verfolgung ausgesetzt. Neffe Franz Schacherl, bekannt als radikaler Sozialist und gewerkschaftlich aktiv, wird ab 1933 als Architekt mit Berufsverbot belegt.
Beim FC Bayern wird Leopold Schacherl im Sommer 1934 in den vom Vorsitzenden Siegfried Herrmann instalierten Ältestenrat berufen. Im Dezember 1935 ehrt ihn die Skiabteilung des FC Bayern für seine 10-jährige dortige Mitgledschaft. Er wird dem Club, trotz seiner jüdischen Herkunft, bis zu seiner Pariser Emigration im August 1938 angehören. Zum gleichen Zeitpunkt flüchtet auch sein Neffe Franz Schacherl aus Wien vor der Gestapo nach Paris. Diesem gelingt es nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich auf Vermittlung des ihm gut bekannten Baron Rothschild, Kontakt zur Portugischen Regierung herzustellen und nach Angola zu fliehen. Es ist gut möglich, dass auch Leopold Schacherl von diesen Kontakten profitiert. Es gibt allerdings keine konkreten Informationen dazu, wie es ihm gelingt den Holocaust in Paris zu überleben.
Zur Jahreswende 1950/1951 kehrt Leopold Schacherl aus der Emigration zurück nach München und zurück zu seinem FC Bayern. Berreits im Januar 1951 wird er wieder in der Mitgliederliste des Clubs geführt. Regelmäßig besucht er wie vor seiner Vertreibung die Spiele an der Säbener und im Stadion an der Grünwalder Straße. Ebenso regelmäßig ist er zu Gast bei den Veranstaltungen des Vereins im Löwenbräukeller.
In den Clubnachrichten vom Oktober 1951 wird ihm zum 65. Geburtstag gratuliert, doch bereits drei Monate darauf müssen die Mitglieder in der Vereinszeitung vom Januar 1952 eine traurige Mitteilung vernehmen: „Tief erschüttert haben wir die Nachricht aufgenommen, dass unser lieber, guter Leopold Schacherl einige Tage vor Weihnachten einen Schlaganfall erlegen ist.“ Es ist ihm lediglich ein Jahr vergönnt, nach seiner Rückkehr nach München, wieder unter seinen früheren Freunden zu verweilen. Zwei Tage nach seinem Ableben am 22. Dezember wird er am Heilig Abend 1951 am Westfriedhof beigesetzt. Für ihn, „der ja Jungeselle war und bei seiner Schwester wohnte,“ so in seinem Nachruf zu lesen, „war der FC Bayern eben ein Stück Heimat […] Ruhe in Frieden, den Du nun endlich gefunden hast. Deine Bayern.“
Andreas Wittner
Quellen:
Adressbücher der Stadt München, diverse Jahrgänge
Hofmann, Gregor; Mitspieler der „Volksgemeinschaft“ – Der FC Bayern und der Nationalsozialismus; Wallstein Verlag, 2022
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