geboren am 25. April 1899 in Saaz, Österreich-Ungarn,
Tschechoslowake jüdischer Herkunft,
Theaterregisseur,
Stellvertretender Direktor der Kammerspiele,
beim FC Bayern seit 1925,
Spieler Mannschaft Kammerspiele,
1933 Flucht nach Prag, Tschechoslowakei,
Emigration 1938 nach London, England,
gestorben am 24. Oktober 1983.
Am 25. April 1899 wird Julius Gellner als neuntes Kind von Max Gellner (geboren 1854) und Anna, geborene Löbl (1855 bis 1927) in Saaz im damligen Österreich-Ungarn geboren. Nachdem die Familie nach Prag gezogen ist, absolviert Julius Gellner nach seiner Schulzeit eine Ausbildung zum Bankangestellten. In dieser Zeit in Prag wirkt er in einer Amateurtheatergruppe mit und entdeckt bereits in jungen Jahren seine Leidenschaft zur Schauspielerei. 1918 verlässt er gerade einmal 19-jährig Prag und wagt den Schritt zur beruflichen Veränderung. Tatsächlich erhält er im unterfränkischen Würzburg sein erstes Engagement am dortigen Theater. 1921 wird er in Düsseldorf von Otto Falckenberg, dem Leiter der Münchener Kammerspiele, entdeckt und dorthin geholt. Hier steigt er in den folgenden Jahren vom Schauspieler zum Regiesseur und Falckenbergs Stellvertreter auf. Sein Kollege und späterer Nachfolger Wolfgang Petzel charakterisiert Gellners Person und beschreibt Jahre später dessen Weg in den Kammerspiele wie folgt:
„Er [Julius Gellner] war ein mittelgroßer, muskulöser sehr beweglicher Mann, mit dem Gesicht eines intellektuellen Boxers oder sonstigen Sportlers (er gehörte ja auch zur berühmten Fußballmannschaft der Kammerspiele wie Horwitz, Heinrich Fischer und einige kräftige Männer des Bühnenpersonals). Ursprünglich war er Schauspieler gewesen, sicher ein sehr temperamentvoller, jugendlicher Charakterliebhaber, bevor er vom Direktor [Falckenberg] als organisatorische und geschäftliche Begabung entdeckt wurde. Er war genau das, was jener für den Betrieb brauchte: Ein Mann, der in jedem Winkel des Theaters Bescheid wusste, der alles zusammenhielt, der mit Falckenberg und sämtlichen Abteilungen kraft seiner Sachkenntnis zu verhandeln wußte, der Freunde unter den Schauspielern hatte und sich zugleich einer gewissen Autorität erfreute. Ein fanatischer Arbeiter, der seine Tage und Nächte im Theater verbrachte, Interessen und Einfälle in allen Sparten hatte und der – nicht das kleinste Wunder bei Gellners Persönlichkeit – gegenüber der unsichtbaren Direktion unbedingt loyal war und sich mit dem Posten eines Stellvertreters nebst eigenen Regien begnügte.“
Bereits 1925 tritt Julius Gellner dem FC Bayern München bei. Zu dieser Zeit gehört er bereits zum festen Stamm der Fußballmannschaft der Kammerspiele. Als der FC Bayern Mitte 1926 die Spielrunde der Privat- und Firmenmannschaften ins Leben ruft, gehört auch Julius Gellners dem Team der Kammerspiele an. Bis Ende 1926 umfasst diese Spielrunde bereits 12 Mannschaften.
Als internationales, avangardistisches Theater sind die Kammerspiele bereits zu Zeiten der Weimarer Republik in den Fokus der in München aufstrebenden Nationalsozialisten gerückt. So auch Julius Gellner, der immer wieder Theaterstücke von, bei den Nationalsozialisten wenig gelittenen Schriftstellern, aufführen lässt. Dies gipfelt darin, dass er im „Völkischen Beobachter“ vom 8. März 1933 seines „programmmäßig betriebenen Kulturbolschweismus“ diffamiert wird. Es zeichnet sich ab, dass sich die Situation für ihn, nicht mal zwei Monate nach der sogenannten „Machtergreifung“ immer bedrohlicher darstellt.
Wenige Tage später wird er, quasi vom Fußballplatz weg, fluchtartig München und Deutschland verlassen. Als die Elf der Kammerspiele gegen die 2. Mannschaft des 1. FC Taxa spielt, wird Julius Gellner gerade noch rechtzeitig von einem Theatermitarbeiter gewarnt, dass eine Verhaftung durch die Gestapo unmittelbar bevorsteht, seine Wohnung bereits durchsucht und verwüstet worden war. Dank der Hilfe des Chaffeures von Otto Falckenberg gelingt ihm noch an besagtem Fußballspieltag die Flucht nach Österreich. Zeit, sich ordnugsgemäß beim FC Bayern abzumelden bleibt nicht mehr. In der Ausgabe der Club-Nachrichten vom September 1933 wird sein Name unter der Rubrik „Von der Mitgliederliste gestrichen“ anfgeührt. Insgesamt müssen bereits 1933 120 Mitarbeiter, die an den Kammerspielen in den vergangenen Jahren beschäftigt waren, Deutschland fluchtartig verlassen.
Julius Gellner baut sich in den folgenden Jahren in Prag eine neue Exixtenz auf, wo er fast überganglos am Neuen Deutschen Theater eine Stellung als Oberspielleiter findet. Als nach dem „Münchner Abkommen“ am 1. Oktober 1938 die tschechoslowakischen Gebiete von der deutschen Wehrmacht besetzt werden, zeichnet sich ab, dass seine Zeit in Prag wohl auch bald enden wird. Nach der Besetzung Prags im März 1939 versucht Julius Gellner mehrmals vergeblich zu fliehen und gerät auch vorübergehend in die Fänge der Gestapo. Ende August 1939 gelingt es ihm endlich, die Tschechoslowakei zu verlassen und in London eine neue, sichere Bleibe zu finden.
Auch hier findet er wieder schnell eine Beschäftigung. Bei der BBC ist er fortan als Produzent beschäftigt. Nach Ende des Krieges wird er für seinen Arbeitgeber auch vorübergehend zurück nach Deutschland reisen, um von dort zu berichten. Ab 1949 arbeitet er, neben seinen Tätigkeiten für englische Theater, von London aus auch für die nächsten 20 Jahre für das israelische Nationaltheater in Tel Aviv und für das Stadttheater in Haifa.
Ab Anfang der 1970er Jahre zieht sich Julius Gellner, auch aus gesundheitlichen Gründen, von der Theaterarbeit mehr und mehr zurück. Am 24. Oktober 1983 verstirbt er im Alter von 84 Jahren in London.
Andreas Wittner
Quellen:
Julius Gellner – Wikipedia
Julius Gellner - Person - Archivportal-D
Max Gellner (1854 - d.) - Genealogy (geni.com)
MK: SCHICKSALE (muenchner-kammerspiele.de)
Petzet, Wolfgang – „Glück und Ende eines Dramaturgen“ in „Denk ich an München“ – Pröbst – Ude – Gräfe und Unzer Verlag, München 1966 – S. 170 ff.
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